Städte rufen Klimanotstände aus, Bewegungen wie Fridays for Future kämpfen für mehr Umweltschutz.
Statement von Dr. Peter Mösle
Es vergeht heute kein Tag, an dem nicht über Auswirkungen des Klimawandels und die Zukunft unseres Planeten berichtet und diskutiert wird. Vor diesem Hintergrund bewegt sich auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft aktuell sehr viel. Positionspapiere und Notstanderklärungen wichtiger Fachverbände wie zum Beispiel das „Rahmenwerk für klimaneutrale Gebäude und Standorte“ der DGNB, „Haus der Erde“ des Bundes Deutscher Architekten und freiwillige Initiativen wie „Architects for Future“ zeigen, dass der Branche der Ernst der Lage immer bewusster wird und sie nun auch ernsthaft etwas ändern will. Als größter Verbraucher der weltweiten Rohstoffe und Verursacher von immensen Abfallmengen steht die Bauwirtschaft wie kaum ein anderer Industriezweig in der Verantwortung, schnelle und effektive Lösungen für Klima- und Ressourcenprobleme zu liefern.
Kreislauffähiges Bauen im Fokus
Zwar gehören Energieeffizienz, CO2-Einsparung und der Einsatz erneuerbarer Energien heute fast zu den Standard-Kriterien in vielen Bauvorhaben, im Vergleich zum Gesamtproblem ist das jedoch nur die „halbe Miete“. Der andere Teil betrifft den Umgang mit der Rohstoffverknappung und die Vermüllung unserer Erde. Ohne Denkweisen wie Cradle to Cradle®, kurz C2C, ist hierfür keine Lösung in Sicht. Das C2C-Designkonzept steht für eine quasi unendliche Zirkulation von Ressourcen in geschlossenen Kreisläufen, womit sich die Bruttowertschöpfung vom Ressourcenverbrauch entkoppeln lässt. Dies ist die Grundlage, um eine substantielle Verbesserung im Klimaschutz zu erreichen.
So beschäftigen sich interdisziplinäre Forschungsteams verstärkt mit Stoffkreisläufen, Hersteller und Produzenten arbeiten anhand von Konzepten wie C2C an der Entwicklung von restlos rezyklierbaren und kompostierbaren Baustoffen und immer mehr Bauherren setzen sie bereits in ihren Projekten ein. Ähnlich wie in den späten 70er Jahren mit der Ölkrise das Thema Energie plötzlich aufkam, rücken die Entwicklung und der Einsatz kreislauffähiger Materialien heute in den Fokus der Industrie und der Bauwirtschaft. Und ähnlich wie damals der Beruf eines Energieberaters notwendig wurde, zeigt es sich heute, dass es einer neuen Fachdisziplin – des Circular Engineers oder des Material-Fachplaners – bedarf, um die Herausforderungen integrativ mit dem Architekten und Bauherren zu lösen. Diese neue Planungsdisziplin bearbeitet die große Aufgabe der „Materialität“ ganzheitlich im Projekt. Bis dato fehlt im Bauwesen die entsprechende Fachexpertise, und die klassischen Ingenieursdisziplinen können das erforderliche Know-how nicht vollumfänglich abdecken.
Innovationspartner für alle Materialfragen im Projekt gefragt
Vor diesem Hintergrund stehen insbesondere Architektur- und Planungsbüros vor der großen Aufgabe, auf die wachsenden Anforderungen der Bauherren zu reagieren und ihre Konzepte hinsichtlich ihrer Kreislauffähigkeit und positiv ausgerichteten Nachhaltigkeit umzudenken. Sie brauchen einen Ansprechpartner in Projekten, der sie bei der Entwicklung innovativer Designstrategien unterstützt, ihnen eine Auskunft über Fügetechniken und die chemische Zusammensetzung von Materialien gibt sowie sich in der stofflichen Beschaffenheit von Bauprodukten auskennt. Gleichzeitig müssen planerische Kompetenzen vorhanden sein – ein Chemiker ohne Planungs- und Bauprozesswissen ist für diese Rolle ungeeignet. Diese Funktion wird künftig daher ein Circular Engineer beziehungsweise ein Material-Fachplaner übernehmen, den es heute in dieser Form fast gar nicht gibt, da eine solche Ausbildung noch an kaum einer Hochschule vorhanden ist. Ein Unternehmen, das über die erforderliche breite fachliche Expertise verfügt, ist beispielsweise die EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer. Seit einigen Jahren integrieren die Experten das Cradle to Cradle-Designprinzip in Bauprojekte, prüfen und optimieren Produkte auf ihre Kreislauffähigkeit, führen als akkreditierter Assessor C2C-Produktzertifizierungen durch und arbeiten eng mit Produkterstellern zusammen.
Dennoch reicht es nicht, wenn nur einige wenige sich mit diesen Themen auseinandersetzten. Jeder ist gefragt, jeder muss liefern. Fest steht: Will die Bau- und Immobilienbranche einen wirklich spürbaren Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung leisten, führt kein Weg an der Circular Economy vorbei. Zudem ist sicher: Heute können wir uns lange Überlegungen, das Abwarten, was andere machen, und langsames Herantasten nicht mehr leisten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit!